Kanal von Korinth 1882



Der Kanal von Korinth

Aktie der Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe von 1882


Nur Eingeweihte wissen, dass der griechische Kanal von Korinth so etwas wie das unbeachtete Patenkind der Suezkanal- bzw. Panamakanal-Compagnie. Die Patenschaft hatte seinerzeit der französische Suezkanal-Erbauer Graf Ferdinand de Lesseps übernommen. Hans-Georg Glasemann spürte die Historie des Kanals von Korinth auf.

Der Kanal von Korinth verbindet seit 1893 den Saronischen Golf mit dem Korinthischen und verkürzt damit die Fahrt von der Adria und dem Ionischen Meer zur Ägäis um 320 Kilometer (rund 200 Seemeilen). Der Seekanal durchbricht die Landenge des Peloponnes und der Landschaft Megaris in 6,3 Kilometer Länge, ist 24 Meter breit und bis zu 8 Meter tief.

Der Gedanke, die beiden Meere zu verbinden, liegt mehr als nahe, und so fasste schon in der Antike der Tyrann Periandros (sechstes Jahrhundert vor Christus) diesen Plan. Er scheiterte an den technischen Schwierigkeiten, ebenso wie der römische Kaiser Nero, der im Jahre 67 nach Christus mit einem goldenen Spaten den ersten Stich zum Kanalbau tat. Das Restliche überließ er 6.000 Sklaven aus Judäa. Wegen revolutionärer Umtriebe im eigenen Land konnte er sich um das Werk nicht weiter persönlich kümmern. So wurde auch dieses Projekt schließlich aufgegeben. Die weitere Entwicklung bis zur Kanaleröffnung nahm - so ungewöhnlich das klingt - ihren Anfang in Panama: Von 1876 bis 1878 untersuchte der ungarische General Istvan Türr (1825-1908) - ein naturalisierter Italiener und Freund von Ferdinand de Lesseps - zusammen mit dem Kapitänleutnant Lucien Napoléon Bonaparte Wyse im Auftrag der "Société Civile Internationale du Canal Interocéanique du Darien (Türr- Syndikat)" die Kanalroute über den Isthmus von Panama.

Dem Türr- Syndikat gehörten neben Türr und seinem Schwager Wyse, der Bankier Baron Jacques de Reinach sowie weitere hohe französische Würdenträger an. Ein junger Landsmann Türr`s, der ungarische Ingenieur Béla Gerster (1850-1923) begleitete die Expeditionen. 1876 vereinbarte Türr für das Syndikat mit der Regierung von Kolumbien einen Konzessionsvertrag über 99 Jahre für den Bau eines Kanals über den Isthmus von Panama, zahlbar mit 750.000 Goldfranken bis 1882. Wyse gelang es 1879, im Rahmen des internationalen Kongresses der Société de Géographie in Paris, diesen Vertrag für 10 Millionen Goldfranken an Ferdinand de Lesseps und seine zu gründende Compagnie Universelle du Canal Interocéanique de Panama - die Lesseps`sche Panamakanal- Compagnie - zu verkaufen. Das Türr-Syndikat und der General profitierten davon enorm.

Im jahr 1880 lernte General Türr in Aachen den Gouverneur der griechischen Nationalbank Marc Rénieri kennen. Beide diskutierten die Möglichkeit eines Kanalprojekts bei Korinth. Rénieri bot Türr die Konzession für diesen Kanal an, auf der Basis eines 1869 vom griechischen Parlament erlassenen Konzessionsgesetzes. Türr investierte sein mit der Panamakonzession gewonnenes Geld und beauftragte den Ingenieur Béla Gerster mit einer Machbarkeitsstudie für einen Kanal über die Landenge von Korinth. Gerster untersuchte 1880 die Kanalroute, kam zu positiven Ergebnissen und schloss bereits 1881 in Athen für Türr mit der griechischen Regierung einen Konzessionsvertrag zum Bau und Betrieb eines Seekanals ab (Laufzeit 99 Jahre, Baubeginn innerhalb von 18 Monaten, geplante Fertigstellung bis 1887).

Obligation der Société Hellénique du Canal de Corinthe von 1890

Mit einem Konsortium um den Bankier de Reinach gründete Türr 1882 mit einem Aktienkapital von 30 Millionen französischen Goldfranken die Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe (Internationale Gesellschaft des Seekanals von Korinth) mit Sitz in Paris. Die Gesellschaft übernahm von Türr die Konzession. Türr wurde Präsident der Kanalgesellschaft. Das Klima für den Börsengang der Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt äußerst günstig, da der Kurs der Suezkanal-Aktien in ungeahnte Höhen geschnellt war und sich die Spekulanten um die 1880 emittierten Panamakanal- Aktien geradezu schlugen. So erstaunt es nicht, dass die im Mai 1882 herausgegebenen 60.000 Aktien der Kanalgesellschaft fünfmal überzeichnet wurden. 6 Millionen Goldfranken wurden von Griechen gezeichnet, der Rest der Aktien wurde in Frankreich platziert.

König Georg I von Griechenland tat gleichzeitig den ersten Spatenstich zum Bau des Kanals entlang der antiken Trasse des Kaisers Nero. Gerster war der Bauleiter am Kanal. 1887 waren 2.100 Arbeiter am Kanal beschäftigt. Kapitalbedarf stellte sich in diesem Jahr ein, da die Gruppe des berüchtigten Pariser Bankiers de Reinach sehr "grosszügig" mit den Geldmitteln der Gesellschaft gewirtschaftet hatte. Eine 6%ige Anleiheemission über 30 Millionen Goldfranken sollte deshalb im Mai 1888 in Paris begeben werden. Diesmal ein unglücklicher Zeitpunkt, da zur gleichen Zeit die Panamakanal-Compagnie fallierte. So wurden beim Börsengang lediglich 10 Millionen Goldfranken eingesammelt. Im Februar 1890 war die Gesellschaft dann endgültig zahlungsunfähig. Die Arbeiten wurden eingestellt, 8.2 Millionen Kubikmeter Erdreich und Fels hatte man ausgeschachtet, 2.6 Millionen Kubikmeter waren noch auszugraben.

In dieser kritischen Situation initiierten griechische Patrioten 1890 in Athen die Gründung der mit einem Kapital von 5 Millionen Goldfranken ausgestatteten Auffanggesellschaft Société Hellénique du Canal de Corinthe (Griechische Gesellschaft des Kanals von Korinth). Der Konkursverwalter der alten Kanalgesellschaft übertrug die Konzession auf die neu gegründete Kanalgesellschaft. Anteilseigner und Gläubiger der alten Gesellschaft erhielten für ihre notleidenden Wertpapiere Besserungsscheine. 1893 wurde der Kanal durch die neue Gesellschaft fertig gestellt und dem Verkehr übergeben. 1907 wurde auch die neue Gesellschaft liquidiert und in die in Athen ansässige Betriebsgesellschaft Nouvelle Société du Canal de Corinthe (Neue Gesellschaft des Kanals von Korinth) überführt. 1980 wurde der Betrieb des Kanals der staateigenen Corinth Canal Company übertragen, 2001 erfolgte die Privatisierung der Kanalbetriebsgesellschaft. Heute durchfahren rund 12.000 Schiffe jährlich den Kanal.

Literatur

  • Béla Gerster, L´ isthme de Corinthe et son percement, Budapest, 1896
     
  • Hans-Georg Glasemann, Der Kanal von Korinth, Historische Wertpapiere 1882-1977, Diessen am Ammersee 2019, ISBN 978-3-74945--231-6

  • Walter Werner, Der Kanal von Korinth und seine Vorläufer, Grömitz, 1993



Wertpapiere des Kanals von Korinth

Die Wertpapiere des Kanals von Korinth stellen ein erschwingliches, abgeschlossenes und katalogisiertes Sammelgebiet dar. Die bis heute bekannten rund 40 verschiedene Finanzdokumente zum Bau und Betrieb des Kanals von Korinth sind:

Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe 1882-1890

  • Inhaberaktien in französischen Goldfranken begeben im Mai 1882 (sowie Interimsscheine und Depotzertifikate für Aktien)
     
  • Gründeranteilscheine (Parts de Fondateur) begeben im Mai 1882
     
  • Obligationen in französischen Goldfranken begeben im Mai 1888 (sowie Depotzertifikate für Obligationen)
     

Aktie der Société Hellénique du Canal de Corinthe von 1890


Société Hellénique du Canal de Corinthe 1890-1907

  • Inhaberaktien in französischen Goldfranken begeben im Juni 1890
     
  • Besserungsscheine ohne Nennwert (Parts de Fondateur) begeben im Juni 1890 zur Entschädigung der Aktionäre der Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe
     
  • Besserungsscheine ohne Nennwert (Parts de Fondateur) begeben im Juni 1890 zur Entschädigung der Inhaber von Gründeranteilscheinen der Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe
     
  • Besserungsscheine ohne Nennwert (Parts de Fondateur) begeben im Juni 1890 zur Entschädigung der Obligationäre der Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe
     
  • Obligationen in französischen Goldfranken begeben im Juni 1890
     

Nouvelle Société Anonyme du Canal de Corinthe 1907-1980

  • Aktien in Drachmen begeben im Oktober 1907, im Juni 1922 und im Juli 1923
     
  • Hiernach weitere Kapitalerhöhungen und Umstellung der Nennwerte bzw. Stückelung der Aktien in Drachmen: 1957, 1962, 1965, 1969, 1972 und 1977

Weitere Informationen zum Kanal von Korinth

Dieses Fachbuch berichtet aus historischer Sicht über die Finanzierung, den Bau und den Betrieb des griechischen Kanals von Korinth. Seit der Antike (600 vor Christus) hat die Idee eines Kanals durch die Landenge von Korinth Herrscher, Ingenieure und Regierungsmächte angeregt; aber alle Kanalbauversuche sollten zunächst scheitern.

Erst 1882 nahm die französische Aktiengesellschaft "Société Internationale du Canal Maritime de Corinthe" (Internationale Gesellschaft des Seekanals von Korinth) den Bau des Korinth-Kanals in Angriff. Nur Eingeweihte wissen, dass diese Gesellschaft so etwas wie das unbeachtete Patenkind der Suezkanal- bzw. Panamakanal-Compagnie war. Die Patenschaft übernahm seinerzeit der französische Diplomat und Suezkanal-Erbauer Graf Ferdinand de Lesseps, der Held von Suez.

Im Jahr 1890 scheiterten die Kanalbauversuche der französischen Gesellschaft. Eine von griechischen Patrioten gegründete Auffanggesellschaft, die "Société Hellénique du Canal de Corinthe" (Griechische Gesellschaft des Kanals von Korinth), führte die Arbeiten fort, erfolgreich bis zur Eröffnung des Kanals 1893. Von 1907 bis 1980 folgte der griechischen Kanalgesellschaft die Betriebsgesellschaft "Nouvelle Société Anonyme du Canal de Corinthe" (Neue Gesellschaft des Kanals von Korinth).

Die von diesen drei Gesellschaften zur Finanzierung der Kanalaktivitäten ausgegebenen Aktien, Gründeranteilscheine, Besserungsscheine und Obligationen sind heute begehrte Sammelobjekte. Als "Historische Wertpapiere" sind es geschichtliche Zeitzeugen. Die historische Betrachtung des Kanals von Korinth wird durch einen Katalogteil ergänzt. Er erschließt alle von 1882 bis 1977 ausgegebenen Wertpapierzertifikate der drei Gesellschaften als Sammelgebiet. Das Buch wendet sich an den Sammler alter Wertpapiere, ob er Anfänger oder Fortgeschrittener ist, und an jeden, der sich für die geschichtlichen Hintergründe dieses interessanten Kanalprojekts interessiert.

Neu! Jetzt im Buchhandel erhältlich:

Hans-Georg Glasemann: Der Kanal von Korinth, Historische Wertpapiere 1882-1977, Norderstedt, 2019, ISBN 978-3-74945-231-6